Exkursion in ein geteiltes Land: Studienseminar Leer hospitiert in Zypern

„Wir haben viel gelernt: über Schule und Unterricht in einem zerrissenen Land, über Manipulation und Hoffnung, über Vertreibung und Aufbruch.“ Was ein Teilnehmer der diesjährigen Europa-Tagung des Studienseminars Leer beiläufig sagt, könnte kein besseres Fazit sein. Sechs Tage verbrachten Ausbilderinnen und Ausbilder und angehende Lehrkräfte in Zypern, um den Schulalltag und die Rahmenbedingungen für Bildung näher kennenzulernen. Gefördert wurde die Europa-Tagung aus Mitteln des EU-Bildungsprogramms Erasmus+.

Darüber hinaus stand ein weiterer Hospitationsbesuch an einer privaten Schule, der International School of Paphos (ISOP), an. Der Fokus lag dort auf den Umgang mit Heterogenität und individueller Förderung, da die Schule erfolgreich Schülerinnen und Schüler aus mehr als 30 Nationen zum Schulabschluss führt.

Über den Hospitationsschwerpunkt hinaus war im Rahmenprogramm Gelegenheit, sich unter historischen und politischen Aspekten mit dem Zielland zu befassen, da diese sich auf die Bildungs- und Erziehungsvorstellungen massiv auswirken. Bewegend waren in diesem Zusammenhang die Filmvorführung „Beyond History Education“ und das Gespräch mit der Filmemacherin Mine Balman. Sie zeigte auf, wie Schule und Unterricht sowohl im türkisch besetzten Nordteil Zyperns als auch im griechisch-zypriotischen Südteil durch verengte historische Sichtweisen und politisch gefärbte Deutungen der Geschehnisse um die Besatzung 1974 beeinflusst wurden – bis hin zur Manipulation von Kindern im Grundschulalter. Ute Wörmann-Stylianou, langjährige Leiterin des Goethe-Zentrums in Nikosia, berichtete aus eigener Erfahrung über die Entwicklungen in Nikosia seit den 70er Jahren und die Einflüsse auf die Bildungsarbeit des Goethe-Instituts.

Anschaulich wurde die Teilung bei einer Erkundung Nordzyperns. Gemeinsam führten Anna Marangou aus dem griechisch-zypriotischen Teil Zyperns und ihr türkisch-zypriotischer Kollege Orhan Tolun die Reisegruppe ins mittelalterlich geprägte Famagusta und in die heutige Militärzone Verosha. Als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die verlassenen und verfallenen Hotels und Häuser in der einstigen Touristenhochburg sahen, wurde es still. Marangou selbst erzählte vom Tag der Flucht, den sie selbst als junge Frau miterlebte, im Hintergrund ihr seit 50 Jahren verlassenes Elternhaus. Später, als sie sagt, dass sie für eine gemeinsame Lösung kämpft, für ein vereintes Zypern, hält der Applaus der Reisegruppe lange an. 

Das Studienseminar Leer führt bereits seit mehr als 30 Jahren Europa-Tagungen im europäischen Ausland durch und ist mittlerweile akkreditierte Bildungseinrichtung des Bildungsprogramms Erasmus+. Dank der Förderung aus dem EU-Bildungsprogramm konnte die Europa-Tagung in Zypern mit dem facettenreichen Hospitationsprogramm und den Erkundungen vor Ort einer breiten Teilnehmerrunde ermöglicht werden.